Wenn man nach mehreren Tagen / Wochen
/ Monaten einen Jungvogel großgezogen hat, möchte
dieser nun gerne in die Freiheit entlassen werden. Fachmännisch
"Auswildern" genannt, was man einfach mit
"Freilassen" übersetzen kann. Nun ist
das Wort aber leichter auszusprechen, als die Auswilderung
an sich. Es kommt nämlich noch das kleine Wort
"artgerecht" davor, was die ganze Angelegenheit
etwas komplizierter macht.
Meistens ist es ja so, daß der
Vogel, in liebevoller Menschenhand gepäppelt und
behütet aufgewachsen, überhaupt keine Scheu
vor "seinen" Menschen hat, auch nicht vor
Katzen, Hunden und anderen Tieren. Würde man den
Vogel in diesem Zustand "vor die Tür setzen",
käme höchstwahrscheinlich am nächsten
Tag die Nachbarskatze mit einem kleinen Vogelpräsent
vorbei.
Eigene Erfahrungen mit einer nicht artgerechten Auswilderung
hatten wir mit 5 kleinen Kohlmeisen, welche uns eigentlich
scheu genug erschienen, um sie freizulassen. Am nächsten
Tag sind sie hungrig über das Haupthaar einer Nachbarin
hergefallen, welche laut schreiend (mit 5 bettelnden
Meisen im Haar) die Straße hin - und herraste.
Zum Glück konnten Nachbarin und Meisen wieder
heil eingefangen werden, es hätte auch anders enden
können. (Man stelle sich die Situation mit Krähen
oder Falken vor, dann ist das Ganze nicht mehr so witzig)
Soviel also dazu, wie man es nicht
machen sollte.
Grundsätzlich gilt: Je scheuer
der Vogel, umso besser. Eine Möglichkeit, den zahmen
Vogel in ein scheues Reh (pardon) zu verwandeln, besteht
in Form einer Volieren"Haft". Dies bedeutet,
daß man den Vogel, sobald er selbst fressen kann
und genügend Federn hat, um sich nachts zu wärmen,
in eine Voliere setzt. Dort wird er 1 - 2 Mal am Tag
mit Futter versorgt und bekommt sonst keine Menschenseele
zu sehen. Dann hat sich das "Zahmheits - Problem"
innerhalb von 14 Tagen erledigt. Selbst allerliebste
"Schoßvögel" wollten nach 2 Wochen
Voliere nichts mehr von uns wissen. Schon mancher hingebungsvoller
Vogelpfleger war am Ende völlig enttäuscht,
wenn der zahme kleine Fratz auf einmal wie ein wildgewordener
Handfeger durch die Voliere raste, und seinen Pfleger
rüde verschmähte.
Aber genau so muß es sein
!!!
Je wilder und scheuer der Vogel ist,
um so größer sind seine Überlebenschancen
in der freien Natur.
Wenn Sie keine Voliere zur Verfügung
haben, besorgen Sie sich den größten Käfig,
den Sie kriegen können. Richtig große Käfige
oder Mini - Volieren kann man sich mit etwas Geschick,
Holzleisten, feinmaschigem Draht (der Kopf des Vogels
- mit angelegten Federn! - darf nicht durchpassen)
und einem "Tacker" auch selbst bauen. Außerdem
sind sie wesentlich billiger und praktischer als "Kaufkäfige".
Diesen Käfig stellen Sie an einen Ort in der
Wohnung, an dem nicht den ganzen Tag Hunderte von
Menschen entlangpilgern, sondern an dem absolute Einsamkeit
herrscht. Tageslicht sollte natürlich vorhanden
sein, also bitte nicht in stockdunkle Schuppen oder
Kellerräume stellen. Dort müßte nach
einiger Zeit dann auch der "Voliereneffekt",
sprich die Entwöhnung vom Menschen stattfinden.
Vorausgesetzt, Sie betreten den Raum wirklich nur,
um das Tier zu füttern. Mitleidige Einsamkeitsbesuche
erfreuen Mensch und Tier sicher gleichermaßen,
wenn Sie den Vogel jedoch guten Gewissens auswildern
möchten, müssen Sie ihm seine Einsamkeit
gönnen.
Diese Auswilderungsart bezieht sich
auf Singvögel aller Art, Rabenkrähen,
Elstern, Eichelhäher, Dohlen, etc. Je größer
der Vogel, desto größer muß natürlich
auch der angebotene "Entwöhnungsraum"
sein, sonst wäre es Tierquälerei.
Sie bezieht sich NICHT
auf Greifvögel, Eulen, Segler / Schwalben und
Wasservögel !!
Wenn Sie nicht über die entsprechende
Erfahrung und den erforderlichen Platz verfügen,
versuchen Sie bitte nicht, einen Greifvogel
oder eine Eule per Hand aufzuziehen.
Diese Tiere müssen, im Gegensatz zu den o.g.
Meisen, Jagdübungen abhalten. Damit ist die
Futterjagd am lebendigen Tier, z.B. Küken und
Mäusen gemeint. Manche Greifvögel haben
den Dreh sehr schnell heraus, manche brauchen länger.
Auf jeden Fall darf man diese Vögel erst dann
auswildern, wenn sie 1. das Jagen gelernt haben
und 2. absolut scheu sind. Sie gehören so früh
wie möglich in fachkundige Hände und menschliche
Abgeschiedenheit. Erkundigen Sie sich bei Ihrer
örtlichen Naturschutzbehörde nach einer
Greifvogelstation in der Nähe. Es ist mit Sicherheit
schwer, sich von so einem Tier zu trennen, welches
Sie wahrscheinlich anschließend auch nicht
"besuchen" dürfen. Wenn Sie sich
jedoch vorstellen, Sie würden eine/n halbzahmen
Greifvogel / Eule freilassen, welche/r noch nicht
richtig jagen kann, der sich dann bei der
Nachbarin im Haar verheddert, können Sie sich
vielleicht so ungefähr vorstellen, was für
ein Chaos ausbrechen würde. Angefangen von
"Hitchcock" bis zum herbeigeeilten Jäger
/ Jagdpächter, welcher das vermeintlich tollwütige
/ kranke Tier von seinen Leiden erlöst, im
Klartext: abschiesst.
Mauersegler brauchen keine
Entwöhnungszeit, da dies auch in ihrer natürlichen
Entwicklung nicht vorgesehen ist. Ein junger Mauersegler
wird im Nest solange von den Altvögeln gefüttert,
bis er flügge ist. Dann stürzt er sich
aus dem Nest und kann sofort fliegen. Wenn Sie also
einen Segler großziehen, können Sie diesen
getrost von einem gut überschaubaren Feld aus
der Hand starten lassen. Werfen Sie das Tier nicht
in die Luft! Ein gesunder Segler kann direkt von
der Handfläche durchstarten und sich hochschrauben.
Setzen Sie sich den Vogel also auf die ausgestreckte
Handfläche, lassen Sie ihm etwas Wind unter
die Flügel wehen und haben Sie etwas Geduld.
Manche fliegen sofort los, manche nach 5 Minuten
und manchen ist es heute doch noch zu früh,
und sie wollen lieber erst morgen losfliegen.
Schwalben lernen eher selten,
aus einem Futternapf zu essen. Dies liegt an ihrer
natürlichen Ernährungsweise, bei der sie
sich im Flug (wie Mauersegler) die Insekten fangen.
Im Gegensatz zu Mauerseglern werden sie jedoch von
den Altvögeln noch eine Weile nach dem Ausfliegen
aus dem Nest zugefüttert. Es ist sehr schwer,
Schwalben so scheu zu bekommen, daß man sie
mit gutem Gewissen auswildern kann. Wenn sie das
Futter von der Pinzette schnappen, ist das schon
ein gutes Zeichen. Wir haben Schwalben auch schon
einmal in einen Fliegengitterkäfig gesetzt
(mit vielen Fliegen darin), damit sie sich diese
aus der Luft schnappen konnten. Wer für die
Auswilderung von Schwalben noch Tips hat, möge
sie uns bitte kundtun, wir sind über jeden
Hinweis dankbar!
Wasservögel benötigen
natürlich Wasser, auch in der Entwöhnungsphase.
Hierfür haben wir schon alles Mögliche
und Unmögliche in die Voliere gestellt. (Am
Besten wäre natürlich ein kleiner Teich,
aber den hat nicht jeder.) Angefangen von kleinen,
mittleren, größeren und riesigen Schüsseln
(je nach Wachstum des Vogels), bis hin zu Kinderplantschbecken
(hielten nicht sehr lange. Merke: auch Enten haben
Krallen...) und zum Schluß einer ganzen Badewanne.
Alle liebevoll gebauten Zugangsrampen und Planken
wurden übrigens von allen Vögeln immer
genau einmal benutzt (wir vermuten, aus Höflichkeitsempfinden
und um die Leistung des durchgeschwitzen Erbauers
zu würdigen), und dann nie wieder. Sie springen
lieber. Einen in eine Badewanne springenden Schwan
zu beobachten, ist auch sehr interessant - man darf
nur nicht direkt daneben stehen...
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