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Marburg e.V.
seit 1989

Wenn man nach mehreren Tagen / Wochen / Monaten einen Jungvogel großgezogen hat, möchte dieser nun gerne in die Freiheit entlassen werden. Fachmännisch "Auswildern" genannt, was man einfach mit "Freilassen" übersetzen kann. Nun ist das Wort aber leichter auszusprechen, als die Auswilderung an sich. Es kommt nämlich noch das kleine Wort "artgerecht" davor, was die ganze Angelegenheit etwas komplizierter macht.


Meistens ist es ja so, daß der Vogel, in liebevoller Menschenhand gepäppelt und behütet aufgewachsen, überhaupt keine Scheu vor "seinen" Menschen hat, auch nicht vor Katzen, Hunden und anderen Tieren. Würde man den Vogel in diesem Zustand "vor die Tür setzen", käme höchstwahrscheinlich am nächsten Tag die Nachbarskatze mit einem kleinen Vogelpräsent vorbei.
Eigene Erfahrungen mit einer nicht artgerechten Auswilderung hatten wir mit 5 kleinen Kohlmeisen, welche uns eigentlich scheu genug erschienen, um sie freizulassen. Am nächsten Tag sind sie hungrig über das Haupthaar einer Nachbarin hergefallen, welche laut schreiend (mit 5 bettelnden Meisen im Haar) die Straße hin - und herraste. Zum Glück konnten Nachbarin und Meisen wieder heil eingefangen werden, es hätte auch anders enden können. (Man stelle sich die Situation mit Krähen oder Falken vor, dann ist das Ganze nicht mehr so witzig)


Soviel also dazu, wie man es nicht machen sollte.


Grundsätzlich gilt: Je scheuer der Vogel, umso besser. Eine Möglichkeit, den zahmen Vogel in ein scheues Reh (pardon) zu verwandeln, besteht in Form einer Volieren"Haft". Dies  bedeutet, daß man den Vogel, sobald er selbst fressen kann und genügend Federn hat, um sich nachts zu wärmen, in eine Voliere setzt. Dort wird er 1 - 2 Mal am Tag mit Futter versorgt und bekommt sonst keine Menschenseele zu sehen. Dann hat sich das "Zahmheits - Problem" innerhalb von 14 Tagen erledigt. Selbst allerliebste "Schoßvögel" wollten nach 2 Wochen Voliere nichts mehr von uns wissen. Schon mancher hingebungsvoller Vogelpfleger war am Ende völlig enttäuscht, wenn der zahme kleine Fratz auf einmal wie ein wildgewordener Handfeger durch die Voliere raste, und seinen Pfleger rüde verschmähte.

Aber genau so muß es sein !!!
Je wilder und scheuer der Vogel ist,
um so größer sind seine Überlebenschancen in der freien Natur.

Wenn Sie keine Voliere zur Verfügung haben, besorgen Sie sich den größten Käfig, den Sie kriegen können. Richtig große Käfige oder Mini - Volieren kann man sich mit etwas Geschick, Holzleisten, feinmaschigem Draht (der Kopf des Vogels - mit angelegten Federn! - darf nicht durchpassen) und einem "Tacker" auch selbst bauen. Außerdem sind sie wesentlich billiger und praktischer als "Kaufkäfige". Diesen Käfig stellen Sie an einen Ort in der Wohnung, an dem nicht den ganzen Tag Hunderte von Menschen entlangpilgern, sondern an dem absolute Einsamkeit herrscht. Tageslicht sollte natürlich vorhanden sein, also bitte nicht in stockdunkle Schuppen oder Kellerräume stellen. Dort müßte nach einiger Zeit dann auch der "Voliereneffekt", sprich die Entwöhnung vom Menschen stattfinden. Vorausgesetzt, Sie betreten den Raum wirklich nur, um das Tier zu füttern. Mitleidige Einsamkeitsbesuche erfreuen Mensch und Tier sicher gleichermaßen, wenn Sie den Vogel jedoch guten Gewissens auswildern möchten, müssen Sie ihm seine Einsamkeit gönnen.

Diese Auswilderungsart bezieht sich auf Singvögel aller Art, Rabenkrähen, Elstern, Eichelhäher, Dohlen, etc. Je größer der Vogel, desto größer muß natürlich auch der angebotene "Entwöhnungsraum" sein, sonst wäre es Tierquälerei.

Sie bezieht sich NICHT
auf Greifvögel, Eulen, Segler / Schwalben und Wasservögel !!


Wenn Sie nicht über die entsprechende Erfahrung und den erforderlichen Platz verfügen, versuchen Sie bitte nicht, einen Greifvogel oder eine Eule per Hand aufzuziehen. Diese Tiere müssen, im Gegensatz zu den o.g. Meisen, Jagdübungen abhalten. Damit ist die Futterjagd am lebendigen Tier, z.B. Küken und Mäusen gemeint. Manche Greifvögel haben den Dreh sehr schnell heraus, manche brauchen länger. Auf jeden Fall darf man diese Vögel erst dann auswildern, wenn sie 1. das Jagen gelernt haben und 2. absolut scheu sind. Sie gehören so früh wie möglich in fachkundige Hände und menschliche Abgeschiedenheit. Erkundigen Sie sich bei Ihrer örtlichen Naturschutzbehörde nach einer Greifvogelstation in der Nähe. Es ist mit Sicherheit schwer, sich von so einem Tier zu trennen, welches Sie wahrscheinlich anschließend auch nicht "besuchen" dürfen. Wenn Sie sich jedoch vorstellen, Sie würden eine/n halbzahmen Greifvogel / Eule freilassen, welche/r noch nicht richtig jagen kann, der sich dann bei der Nachbarin im Haar verheddert, können Sie sich vielleicht so ungefähr vorstellen, was für ein Chaos ausbrechen würde. Angefangen von "Hitchcock" bis zum herbeigeeilten Jäger / Jagdpächter, welcher das vermeintlich tollwütige / kranke Tier von seinen Leiden erlöst, im Klartext: abschiesst.    

 

Mauersegler brauchen keine Entwöhnungszeit, da dies auch in ihrer natürlichen Entwicklung nicht vorgesehen ist. Ein junger Mauersegler wird im Nest solange von den Altvögeln gefüttert, bis er flügge ist. Dann stürzt er sich aus dem Nest und kann sofort fliegen. Wenn Sie also einen Segler großziehen, können Sie diesen getrost von einem gut überschaubaren Feld aus der Hand starten lassen. Werfen Sie das Tier nicht in die Luft! Ein gesunder Segler kann direkt von der Handfläche durchstarten und sich hochschrauben. Setzen Sie sich den Vogel also auf die ausgestreckte Handfläche, lassen Sie ihm etwas Wind unter die Flügel wehen und haben Sie etwas Geduld. Manche fliegen sofort los, manche nach 5 Minuten und manchen ist es heute doch noch zu früh, und sie wollen lieber erst morgen losfliegen.

Schwalben lernen eher selten, aus einem Futternapf zu essen. Dies liegt an ihrer natürlichen Ernährungsweise, bei der sie sich im Flug (wie Mauersegler) die Insekten fangen. Im Gegensatz zu Mauerseglern werden sie jedoch von den Altvögeln noch eine Weile nach dem Ausfliegen aus dem Nest zugefüttert. Es ist sehr schwer, Schwalben so scheu zu bekommen, daß man sie mit gutem Gewissen auswildern kann. Wenn sie das Futter von der Pinzette schnappen, ist das schon ein gutes Zeichen. Wir haben Schwalben auch schon einmal in einen Fliegengitterkäfig gesetzt (mit vielen Fliegen darin), damit sie sich diese aus der Luft schnappen konnten. Wer für die Auswilderung von Schwalben noch Tips hat, möge sie uns bitte kundtun, wir sind über jeden Hinweis dankbar!

Wasservögel benötigen natürlich Wasser, auch in der Entwöhnungsphase. Hierfür haben wir schon alles Mögliche und Unmögliche in die Voliere gestellt. (Am Besten wäre natürlich ein kleiner Teich, aber den hat nicht jeder.) Angefangen von kleinen, mittleren, größeren und riesigen Schüsseln (je nach Wachstum des Vogels), bis hin zu Kinderplantschbecken (hielten nicht sehr lange. Merke: auch Enten haben Krallen...) und zum Schluß einer ganzen Badewanne. Alle liebevoll gebauten Zugangsrampen und Planken wurden übrigens von allen Vögeln immer genau einmal benutzt (wir vermuten, aus Höflichkeitsempfinden und um die Leistung des durchgeschwitzen Erbauers zu würdigen), und dann nie wieder. Sie springen lieber. Einen in eine Badewanne springenden Schwan zu beobachten, ist auch sehr interessant - man darf nur nicht direkt daneben stehen...    

 

 

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