Im Verlauf der Zeit hat sich die Überlebensquote
der von uns aufgenommenen Patienten deutlich erhöht.
Ausschlaggebend für diese positive Entwicklung
sind die in den letzten Jahren gesammelten Kenntnisse
und Erfahrungen z.B. in Bezug auf griffige Erstversorgung
verunfallter Tiere, verbesserte Medikation und spezifischere
Fütterung.
Hier sei als ein Beispiel noch einmal darauf hingewiesen,
daß der "beliebte" Mehlwurm geringste
Mengen an Blausäure während des Verdauungsprozesses
seiner eigenen Nahrung produziert. Einige Vogelarten
von zarterem Gemüt starben früher bei
zu großer "Mehlwurmeinnahme" an
einer Blausäurevergiftung, beginnend mit Lähmungen
der unteren Extremitäten, über die Flügel
bis zum Herzstillstand.
Desweiteren konnten wir im Rahmen intensivster
Betreuung und genauester, ständiger Beobachtung
u.a. erfolgreich beweisen, daß eine
durch Unfall hervorgerufene großflächige
Flügelhautverletzung mit anschließendem
Hautverlust nicht zwangsläufig zur Euthanasie
führen muß.
Bestimmte Formen von Abriss des Rabenbeinknochens,
welche nach einigen fehlgeschlagenen chirurgischen
Rettungsversuchen durch Spezialisten aus der Vogelmedizin
als inoperabel bezeichnet wurden, konnten mittels
intensiver Behandlung und begleitender ergotherarapeutischer
Maßnahmen soweit geheilt werden, daß
Patienten ohne Beeinträchtigungen wieder in
die Freiheit entlassen wurden.
Solche Erkenntnisse setzen intensive Beschäftigung
mit dem jeweiligen Vogel voraus, d.h., die Pfleger
müssen ständig darüber befinden,
ob sich der Gesundheitszustand stabilisiert und
ein Genesungsprozeß zu beobachten ist. Hier
ist die Erfahrung über das normale Verhalten
der Art unverzichtbar, ebenso muß angesichts
der langen Dauer solcher Genesungsprozesse die statistisch
bekannte, zu erwartende Lebenszeit des Patienten
in Freiheit Berücksichtigung finden. Einem
Patienten mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung
von ca. 2 Jahren sollte tunlichst nicht ein noch
so gut gemeinter halbjährlicher "Krankenhausaufenthalt"
zugemutet werden.
Ein anderer, simpler Grund für die positive
Überlebensquote :
Wir sind seit 1998 mit einem vernünftigen Stationsfahrzeug
ausgerüstet, ebenso mit einem Autotelefon,
und können seither unseren Pfleglingen oft
entscheidend schneller helfen. Wie so vieles heutzutage
hängt der langfristige Einsatz des Stationsmobils
am Geldhahn. Großzügige Finanz- und Benzinspritzen
werden hier weiterhin notwendig sein.
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß
die Vogelpflege und -aufzucht auch die eine oder
andere Gefahr für die Pfleger beinhaltet. Gekratzt,
gehackt oder gekrallt in Beine, Hände oder
Gesicht erscheint hier weniger dramatisch, der Falknerhandschuh
ist nicht zur Handhabung kleinerer Medizinbestecke
geeignet.
Vögel können in bestimmten Fällen
auch Krankheiten auf den Menschen übertragen
(Zoonosen), Chlamydien, Lungenpilze oder die nicht
heilbare Vogel -Tuberklose sind hier sicher weniger
bekannt als die berühmte Papageienkrankheit.
Ein hilflos gefundener Vogel ist nach unseren
Erkenntnissen mit 80%iger Wahrscheinlichkeit auch
zumindest parasitär erkrankt (dies ist weniger
gefährlich für den Menschen, da zumindest
die mehrzelligen Parasiten sehr spezialisiert sind).
Gegebenenfalls muß über Untersuchungen
von Kot, Blut, Rachen- und Kloakenabstrichen diagnostiziert
werden, welche Mittel anzuwenden sind.
Ein verantwortlicher Umgang mit der Natur und
ihren Lebewesen muß in unserer technisierten
Welt vielen Menschen erst nahegebracht werden.
Der Beitrag der Wildvogelpfleger
zur Erhaltung der Vogelwelt und seiner Artenvielfalt
funktioniert, wenn engagierte und problembewußte
Mitmenschen sich gemeinsam dafür einsetzen,
nicht nur informativ, sondern auch praktisch darauf
hinzuwirken, daß Lebensräume erhalten
und wiederhergestellt werden.